das schwere ist die wurzel des leichten
die ruhe ist herr der erregung. (…)
den boden unter den füßen verliert der leichtnehmende
die herrschaft verliert der erregte.*
The heavy is the root of the light,
tranquility is the lord of agitation. (…)
If you regard things too lightly, then you lose the basic;
if you’re agitated, you lose the “lord”.**
Laudse/Lao-Tzu, Daudedsching/Te-Tao Ching
Was ist “das Schwere”? Was könnte “das Leichte” sein, das in ihm wurzelt oder wurzeln soll? Welche Dinge soll man nicht leichtfertig behandeln?
Als “leicht”, oberflächlich und haltlos könnte man das alltägliche menschliche Tun im Allgemeinen und die “Erregung”, also übertriebene Gefühle, im Besonderen verstehen. Wie das Leichte einer Verwurzelung bedarf, so bedarf Erregung der Beruhigung.
Im tiefergehenden Sinne bedürfen das menschliche Tun und insbesondere Gefühle einer Erdung durch ein “Schweres”. “Schwer” im Sinne von Halt gebend ist das Dau (auch Dao oder Tao), das grundlegende Prinzip im Daoismus, das auch als “Pfad” (Richtlinie) zu einer harmonischen menschlichen Existenz gilt. Es muss der “Lord” sein, muss das Tun leiten, denn ohne feste Gründung, ohne Bodenhaftung, ohne Verwurzelung in festen Grundsätzen sind alle menschlichen Aktivitäten letzlich auf Sand gebaut. “Flachwurzler” fallen einem Sturm als erste zum Opfer. Wer den Affekten freien Lauf lässt, verliert die Selbstbeherrschung, und damit auch seine Macht über andere.
Diese Überlegungen sind vertraut und sprechen für sich. Aber sind sie auch “empirisch”, das heißt: in Lebenserfahrung, begründet, oder sind sie nur Wunschdenken eines introvertierten Philosophen? Sind die Stillen, Ernsthaften und Selbstbeherrschten, die das Leben “schwer” nehmen, wirklich mächtiger? Liegt die Macht nicht doch eher bei den Lauten und Leidenschaftlichen, die sich über Bedenken hinwegsetzen und mit ihrer Energie Berge versetzen? Was ist so gefährlich daran, auch einmal “Dampf abzulassen”? Gelten diejenigen, die nie zornig sind, nicht als Idioten, wie Aristoteles in der Nikomachischen Ethik sagt?
Auch der Weise empfindet Zorn, aber er kann ihn beherrschen.
Selbstbeherrschung ist keine Garantie für Macht über andere.
Sich selbst beherrschen ist besser, als andere zu beherrschen.
Achten Sie heute einmal besonders darauf, gelassen zu bleiben und sich zu beherrschen.
Schreiben Sie Ihre Regeln und Prinzipien der Lebensführung auf und denken Sie darüber nach.
*in der Übersetzung von Ernst Schwarz, Leipzig 1970
**in der Übersetzung von Robert G. Henricks, Lao-Tzu Te-Tao Ching: A New Translation Based on the Recently Discovered Ma-wang-tui Texts, N.Y. 1989