Lassen Sie sich auch oft leicht ablenken wie ich? Anstatt sofort mit der wichtigsten Aufgabe des Tages zu beginnen, bearbeite ich erst einmal E-Mails. Statt konzentriert zu schreiben, recherchiere ich nach weiteren Texten, die ich vermeintlich unbedingt noch lesen muss. Anstatt ein Buch zu lesen, gehe ich meine Timeline durch oder studiere Börsenkurse.
Damit bin ich nicht allein. Einer spielt auf dem Smartphone anstelle auf seinem Musikinstrument. Ein anderer putzt die Wohnung oder bügelt die Wäsche, anstatt die Zeit im Homeoffice zur Ausarbeitung seiner Präsentation zu nutzen. Und wieder andere finden tausend Dinge, die gerade wichtiger sind, als ins Fitnessstudio oder zum Joggen zu gehen.
Den meisten ist bewusst, dass das ein Problem ist. Das Buch, das man schreiben möchte, wird nie fertig. Der Fremdwortschatz und das Musikrepertoire bleiben beschränkt, wenn man sich vom Lernen der Vokabeln und vom Üben des Instruments ablenken lässt. Die sportliche Figur bleibt Wunschdenken. Viele möchten deshalb fokussierter werden. Doch warum lassen wir uns so leicht ablenken?
Bequemlichkeit
Ablenkungen sind ein Mittel, Anstrengungen zu vermeiden, und eine Folge von Bequemlichkeit. Wir flüchten davor zu tun, was wirklich wichtig ist, weil dies Mühe erfordert. Doch ohne Selbstüberwindung und Kampf gegen die eigene Trägheit, ohne Verlassen der Komfortzone, machen wir keine Fortschritte derart, dass wir unser Potenzial ausschöpfen, selbst wenn wir besonders talentiert sind oder wenn wir Freude an der Sache haben.
Mit den meisten angestrebten Kompetenzen und Zielen verhält es sich genau so, wie der Volksmund sagt: Ohne Fleiß kein Preis. Wir müssen auf den bequemen Weg verzichten, um den Gipfel zu erreichen.
Vor finanzieller Freiheit steht eisernes Sparen.
Vor musikalischer Meisterschaft stehen hartes Üben und Verzicht auf andere Freizeitbeschäftigungen.
Ohne ungesunden Ernährungsgewohnheiten zu entsagen und ohne körperliche Anstrengung gelangt man weder zur Traumfigur noch zu guter Fitness.
Leicht ablenkbar zu sein, kann darüber hinaus darauf hinweisen, dass das Ziel, von dem ich mich abbringen lasse, nicht das richtige oder für mich nicht wichtig genug ist.
Wenn ich trotz aller Anstrengung niemals Freude beim Schreiben empfinde und mich jedes unbeschriebene Blatt von Neuem quält, sollte ich das Vorhaben, Autor zu werden, überdenken. Wenn ich stattdessen gern mit anderen rede, könnte ich mir anstelle von Schriftstellerei vornehmen, meine Vortragskompetenzen oder Mediationsfähigkeiten auszubauen. Es ist von großem Vorteil für die Gestaltung des eigenen Lebens, frühzeitig zu erkennen, wofür man Talent hat und wofür man dermaßen brennt, dass man dafür Mühe und Anstrengungen in Kauf nimmt.
Ablenkungen akzeptieren und vermeiden
In gewissem Rahmen sind Ablenkungen natürlich. Nur wenigen gelingt es, stets hochkonzentriert konsequent die eigene Agenda im Blick zu behalten. Auf Anspannung muss in Abständen Entspannung folgen. Doch Entspanntheit hat noch keinen Meister gemacht.
Doch wie können wir nun Ablenkungen am besten verhindern? Grundsätzlich gilt, sich so oft wie möglich selbst zu befragen: Was kann ich? Was ist mir wichtig? Was will ich? Damit schafft man die besten Voraussetzungen, „bei der Stange zu bleiben“, auch wenn es schwerfällt.
Eine klare Tagesplanung, bei der die wichtigsten Dinge zuerst in Angriff genommen werden, baut ebenfalls Ablenkungen vor.
Oft hilft es ein Umfeld zu schaffen, das Ablenkbarkeit verringert. Der Schriftsteller Jonathan Franzen schreibt seine Texte beispielsweise in einem karg eingerichteten Zimmer an einem Laptop ohne Internet-Anschluss. Ich schreibe auf Papier und mit Ohropax. Natürlich muss das Smartphone unerreichbar sein. Noch weiter ging schon 1990 der Preisträger des Turin-Awards Donald Knuth, der – so schreibt Tim Ferriss – seitdem keine E-Mail mehr benutzt.
Es ist wichtig, die Grenzen der eigenen Konzentrationsfähigkeit zu kennen und Mußezeit einzuplanen. Spazieren und Meditieren eignen sich besser dafür als Computerspiele oder soziale Medien. Auch Variationen erleichtern es, Ablenkungen zu unterbinden. So ist es zum Beispiel nützlich, zwischen Schreiben und Lesen abzuwechseln.
Zerstreuung hebe dir für den Abend auf, wenn sie am wenigsten Schaden anrichtet.