Das beste Mittel, jeden Tag gut zu beginnen, ist: beim Erwachen daran zu denken, ob man nicht wenigstens einem Menschen an diesem Tag eine Freude machen könne.
Friedrich Nietzsche
Sich selbst verbessern, zufrieden sein, Nein sagen können – all das ist für die Kunst zu leben wichtig. Mit sich selbst gut auszukommen ist zweifellos erforderlich, um glücklich zu sein. Wir sind jedoch nicht allein auf der Welt.
Als Kinder sind wir das Ergebnis menschlicher Beziehungen, in die wir hineingeboren werden – meistens jedenfalls. Selbst wenn sich die Wege der Eltern nach unserer Geburt wieder trennen, bleibt etwas in uns zeitlebens mit ihnen in Verbindung. Oft wachsen wir mit Großeltern und Geschwistern auf. Später kommen Gleichaltrige in Kindergarten und Schule, Freunde, Kollegen, Geschäftspartner, Mannschaftskameraden, Kommilitonen, Arbeitgeber, Verkäufer, Kunden und viele andere dazu. Selbst zu flüchtigen Bekanntschaften und wildfremden Menschen spüren wir mitunter innere Verbundenheit. Die Frage, wie wir besser leben können, ist deshalb mit dem Blick auf uns selbst allein nicht zu beantworten. Wir müssen unsere Aufmerksamkeit auch auf die Beziehungen zu unseren Mitmenschen richten.
Zur Bedeutung von Beziehungen
Gespannte Verhältnisse, gegenseitiges Misstrauen und erst recht Feindschaft machen uns das Leben schwer. Der Ehekrach, Streitigkeiten zwischen Eltern und Kindern oder Mobbing unter Kollegen stiften Unzufriedenheit und können gar Ursachen von Krankheit sein. Freundschaft, Partnerschaft und Kollegialität spenden demgegenüber Freude und inneren Frieden.
Ich behaupte damit nicht, dass Unstimmigkeiten immer vermeidbar sind oder gar um jeden Preis verhindert werden sollten. Da wir Einzelwesen mit unterschiedlichen Interessen, Einstellungen, Prioritäten, Vorlieben und Temperamenten sind, können Konflikte gar nicht ausbleiben. Das gilt nicht nur für das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen. Die zugrundeliegenden Differenzen „um des lieben Frieden willens“ zuzudecken, mag kurzfristig helfen, schadet langfristig jedoch jeder Beziehung.
Aus Unterschiedlichkeit erwachsener Streit kann nützlich sein, wenn durch ihn die beste Lösung für ein Problem gefunden wird oder wenn die Beteiligten und die Beziehung daran wachsen. Ein Beispiel dafür sind – gleichwohl eher seltene – sachlich argumentative Auseinandersetzungen zu politischen Fragen, in denen die eigene Position infolge der Infragestellung durch eine abweichende Meinung bestätigt, differenziert oder gar revidiert wird.
Hinzu kommt ein weiterer Wert zwischenmenschlicher Beziehungen: Sie dienen als Quelle gegenseitiger Hilfeleistung in schwierigen Situationen, zum Beispiel bei Krankheiten des Körpers oder der Seele sowie in materiellen Notlagen. Auch für das Verfolgen eines gemeinsamen Ziels, und sei es auch nur in einem „Bündnis auf Zeit“, bieten sie Unterstützung.
Angesichts der Bedeutung von Beziehungen für unser Wohlbefinden können wir nicht oft und intensiv genug über sie nachdenken. Bei Konflikten ergibt sich dies von selbst. Wenn es um deren Lösung bzw. um die Frage des richtigen Umgangs damit geht, haben wir die Wahl zwischen drei Möglichkeiten: Wir kappen die Beziehung, wir ertragen und akzeptieren den Konflikt oder wir bemühen uns um Verbesserung. Für Letzteres sind Freundlichkeiten die erste Wahl. Doch selbst intakte Beziehungen wollen gepflegt sein und dies nicht nur, um im Falle der Not darauf zurückgreifen zu können. Kleine Geschenke erhalten nicht nur die Freundschaft, sondern verbessern sowohl die Beziehungen zu unseren Mitmenschen als auch uns selbst.
Freude schenken
Wer anderen eine Freude bereitet, macht sich selbst glücklich. Freude zu schenken ist deshalb niemals ein Verlustgeschäft.
Bei einem schwierigen oder angespannten Verhältnis verhindern Gefälligkeiten möglicherweise die Eskalation zur Konfrontation, die nur noch Freund und Feind kennt.
Die Neurowissenschaft weiß um das unterschiedliche Gewicht emotional negativer und emotional positiver Interaktionen. Um emotional negative Interaktionen zu neutralisieren bedarf es eines Vielfachen an emotional positiver Interaktion. Ein böses Wort zählt mehr als viele Liebenswürdigkeiten, weshalb es von letzteren niemals genug geben kann.
Der Möglichkeiten gibt es viele, und Außergewöhnlichkeit bedarf es nicht:
Blumen für die Ehefrau, Geburtstagsgrüße, sich bei den Freunden oder Eltern melden, an einen Bedürftigen spenden oder ihm Hilfe anbieten, nach einer kranken Kollegin erkundigen, den Kindern einen Wunsch erfüllen oder sich Zeit für sie nehmen.
Doch soll ich auch der egoistischen Kollegin oder dem cholerischen Chef eine Freude machen? Wenn ich mit ihr oder ihm auskommen muss und nicht aus dem Weg gehen kann, ja. Und wenn sie es nicht wertschätzen, sondern es als selbstverständlich oder als Unterwerfungsgeste ansehen? Dann sollte man nicht sogleich die Flinte ins Korn werfen. Steter Tropfen höhlt manchen Stein. Solange man sich nicht ausgenutzt fühlt und die Selbstachtung leidet, ist es gut. Freilich bieten Gefälligkeiten keine Gewähr, dass es nicht trotzdem zur Verschärfung und am Ende zum Zerwürfnis kommt.
Doch jeder Versuch ist es wert, denn wer anderen hilft oder eine Freude macht, der hilft stets auch sich selbst.